Samstag, 16. September 2000

Preisverleihung Paul-Dierichs-Stiftung

Netzwerk Ehrenamt schaffen"

Im ehemaligen Kloster Haydau in Morschen (Schwalm-Eder-Kreis) wurden gestern die Preisträger der Paul-Dierichs-Stiftung ausgezeichnet. Festredner: Ministerpräsident Roland Koch.

MORSCHEN • „Ein Ehrenamt mit verkniffenem Gesicht - das taugt nichts. Es muss auch Spaß machen und darf nicht zu einer neuen Fron der Gesellschaft werden."


VON THOMAS STIER
FOTOS: JOCHEN HERZOG

So muss ehrenamtliches Engagement nach Auffassung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch aussehen.
Und genau diese Haltumg sah Koch auch bei den Preisträgern der Paul-Dierichs-Stiftung, die gestern im geschichtsträchtigen Engelsaal des ehemaligen Zisterzienserinnen-Klosters Haydau in Morschen (SchwalmEder-Kreis) ausgezeichnet wurden.

Die Preisträger, das Kuratorium und die Ehrengäste nach der Preisverleihung der
Paul-Dierichs-Stiftung im Kloster Haydau Morschen.

Die Preisträger, so der Ministerpräsident, hätten etwas für andere, aber gleichzeitig auch etwas für sich selbst getan. Und genau dies sei auch notwendig, damit die großen Potenziale ehrenamtlicher Arbeit tatsächlich aktiviert werden könnten.

Nicht gleich lebenslang

Dabei könne es eher abschreckend wirken, wenn unentgeltlicher Einsatz immer gleich sozusagen lebenslang eingefordert werde. Besser sei es wenn sich Einzelne für ein bestimmtes Ziel eine überschaubare Zeit lang einsetzen.

Erfahrungen tauschen


Ministerpräsident Roland Koch

Koch gab in seinem Referat: „Die Zukunft des Bürgerengagements in Hessen" das Ziel vor ein „Netzwerk für Ehrenämter" zu knüpfen, in dem einmal gemachte Erfahrungen gesammelt und ausgetauscht werden könnten. Damit könne vermieden werden, dass jedes Mal bei Null angefangen werden müsse. Der Regierungschef: „Viele Ideen und Aktionen gibt es nur an einem Ort. Wir müssen diese Ideen auch in andere Regionen tragen, wo es gleiche Probleme aber keine Lösungen dafür gibt."

Die Paul-Dierichs-Stiftung in Verbindung mit den Möglichkeiten einer Tageszeitung, ehrenamtliches Engagement auch als beispielhaft einer großen Leserschaft vorstellen, bezeichnete Koch als wichtigen Beitrag zur Stärkung des Willens, selbst Hand anzulegen.
Leider hätten in den vergangenen Jahrzehnten alle Parteien geradezu einen politischen Wettbewerb ausgetragen, den Bürgern immer mehr Aufgaben und Eigenverantwortung abzunehmen. Dabei müsse und könne der Staat gar nicht all das organisieren, was für die Menschen zu einem glücklichen Leben dazugehöre.
Koch: „Die Menschen haben sich angewöhnt, Hilfen stets von irgendwelchen Zentralen anzufordern. Jetzt Aufgaben wieder an sie zurückzugeben, wird schwierig und Jahre dauern."

Stück Freiheit weg

Noch nie habe es in Deutschland eine Generation mit derart großen, individuellen Möglichkeiten zur Lebensgestaltung gegeben. Wer sich für die Jugendarbeit in einem Verein, für Umweltschutz oder eine andere soziale Aufgabe entscheide, „gibt ein Stück Freiheit auf", meinte Koch. Die Sorge, man könne zu viel Freiheit aufgeben, sei heute das größte Hindernis, ein Ehrenamt anzunehmen. Und genau diesen Konflikt gelte es zu überwinden.

In eigenem Auftrag

Den zehn Preisträgern der Paul-Dierichs-Stiftung ist dies schon gelungen. Sie haben sich auf den unterschiedlichsten Gebieten für andere Menschen, für ihre Umwelt oder für ein kulturelles Denkmal eingesetzt. „Politiker", so beschrieb es Verleger Rainer Dierichs in seiner Begrüßung, „tragen zwar auch dazu bei, den Staat lebenswert zu machen - aber sie tun dabei nur ihre Pflicht. Die Preisträger dagegen handeln in eigenem Auftrag." Der Staat habe die Aufgabe, diese Aktivitäten seiner Menschen zu unterstützen.

Förderverein Kloster Haydau

Der Festakt der Preisverleihung fand gestern in einem Bauwerk statt, das selbst ein Beispiel für aktives Bürger-Engagement ist. Nach langem Ringen war die Sanierung des Klosters Haydau 1985 in Gang gesetzt worden.
Inzwischen wurden rund 30 Millionen Mark investiert, im nächsten Jahr sollen die Arbeiten abgeschlossen werden. Ein Förderverein wurde gegründet, der die Nutzung des 1235 erbauten Klosters für Tagungen, Kongresse und kulturelle Veranstaltungen sicherstellen soll. Und der hat auch schon wieder 13 Millionen Mark an Spenden für dieses Ziel gesammelt, berichtete Morschens Bürgermeister Herbert Wohlgemuth.

Die gewölbte, uralte Holzdecke mit den darauf gemalten putzigen Engel-Putten lieferte so gesehen den genau passenden Rahmen für die Preisverleihung. Damit die nicht zu einer allzu getragenen Angelegenheit geriet, setzten die drei virtuosen Musiker der „Cellikatessen" einen munteren musikalischen Kontrapunkt.
Ihr pfiffige, mit einem Augenzwinkern vorgetragene Musik begeisterte nicht nur Ministerpräsidenten Koch. Auch Regierungspräsidentin Oda Scheiblhuber, Landrat Jürgen Hasheider sowie Bundes- und Landtagsabgeordnete der Region hatten ihren Spaß daran
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