Große Solokonzerte des Barock


Ausführende:
Solisten der Rotenburger Kammerphilharmonie:

Joszef Lendvai, Violine - Budapest
Raimund Wartenberg, Violine - Bremen
Karen Hamann, Flöte - Bamberg
Eduard Wesly, Oboe - Amsterdam
Johannes Frank, Violine - Berlin
Eva Maria Klose, Viola - Düsseldorf
Richard Wilkin, Violoncello - Kassel
Jan Harborth, Kontrabass - Kassel

Leitung und Cembalo: Eva Gerlach, Rotenburg

Sonntag, 22. Juni 2003, 19.30 Uhr
Innenhof Kloster Haydau, Altmorschen

Programm

J.S. Bach
(1685-1750)

Concerto F-Dur für Oboe, Streicher und B.c.
(arrangiert aus den Kantaten Nr. 169 und Nr. 49
von Hermann Töttcher und Gottfried Müller)

Solist: Eduard Wesly

- Allegro

- Siciliano (Alt-Arie aus der Kantate Nr. 169):

„Stirb in mir, Welt und alle deine Liebe, dass die Brust sich auf Erden für und für in der Liebe Gottes übe; stirb in mir, Hoffahrt, Reichtum, Augenlust, ihr verworfnen Fleischestriebe."

- Allegro

Brandenburgisches Konzert Nr. 5 BWV 1050

Solisten:
Karen Hamann - Flöte;
Raimund Wartenberg- Violine;
Eva Gerlach- Cembalo

- Allegro

- Affettuoso

- Allegro


+ + + PAUSE + + +



A. Vivaldi Die vier Jahreszeiten (Le Quattro Stagioni) (1678 - 1741)

Solist: Joszef Lendvai

Der Frühling (La Primavera)

- Allegro

Der Frühling ist gekommen, und freudig begrüßen ihn die Vögel mit ihrem frohen Lied, während die Quellen unter Zephirs Atem mit süßem Rauschen dahinfließen.

Die Luft mit einem schwarzen Umhang bedeckend kommen Blitz und Donner, um ihn anzukünden; Sobald sie schweigen, kehren die Vögelchen aufs Neue zurück zu ihrem zauberhaften Gesang;

- Largo e pianissimo

und schon schläft auf der in voller Blüte stehenden Wiese zum frohen Rauschen der Blätter und Pflanzen der Ziegenhirte mit dem treuen Hund an seiner Seite.

- Allegro

Zu dem festlichen Klang der ISchalmei tanzen Nymphen und Hirten unterm Himmelszelt zum glanzvollen Erscheinen des Frühlings.

Der Sommer (L 'Estate)

- Allegro
má non molto

In der harten Jahreszeit, bei gleißender Sonne
schmachten Menschen und Herde, und die Pinie verbrennt; der Kuckuck erhebt seine Stimme, und bald erklingt auch der Cesang von Turteltaube und Stieglitz.

Der Zephir weht sanft, aber plötzlich beginnt der Nordwind einen Streit mit seinem Nachbarn, und der Hirte weint aus Furcht vor dem aufziehenden hettigem Cewitter und um sein Schicksal.

- Adagio

Seine müden Glieder werden aus der Ruhe herausgerissen aus Angst vor furchtbarem Blitz und Donner und durch einen rasenden Schwarm von Fliegen und Brummern.

- Presto

Ach, wie bald seine Ängste doch wahr werden: der Himmel donnert und blitzt, und riesige Hagelkörner schlagen die Ähren der reifen Getreidehalme ab.

Der Herbst (L 'Autunno)

- Allegro

Die Dorfleute feiern mit Tanz und Gesang die Freuden einer ertragreichen Ernte, und durch den Trank des Bacchus angeregt beenden viele die Freude im Schlummer.

- Adagio molto

Jedermann ist des Tanzens und Singens müde, die milde, angenehme Luft und die Jahreszeit laden jeden ein, sich der süßen Lust des Schlafes hinzugeben.

- Allegro

In der Morgendämmerung kommen die Jäger von der Jagd mit Hörnern, Flinten und Hunden; das wilde Tier flieht und sie folgen der Spur;
ermattet und verschreckt durch den Lärm der Flinten und der Hunde versucht das verwundete Tier zu fliehen, doch erliegt es seinen Wunden.

Der Winter (L 'Inverno)

- Allegro non molto

Vor Kälte zittert man inmitten des eisigen Schnees bei heftiger Böe eines eiskalten Windes; man läuft mit den Füßen unablässig stampfend, und wegen des strengen Frostes klappert man mit den Zähnen.

- Largo

- Allegro

Ruhige und frohe Tage am Feuer, während draußen Hunderte vom Regen durchnässt werden: man geht auf dem Eis und zwar mit langsamem Schritt aus Furcht, bei unvorsichtiger Bewegung hinzufallen.

Man geht schnell, rutscht aus und fällt zu Boden; geht erneut auf dem Eis und läuft schnell, bis das Eis kracht und zerbricht;

man hört sie aus der eisernen Pforte heraustreten, Südostwind, Nordwind und alle Winde im Krieg: So ist der Winter, wie er Freude bereitet.


In der Pause bieten wir Sekt und leckere Häppchen an.

Im Anschluss an das Konzert lädt der Förderverein Kloster Haydau e. V.
Sie sehr herzlich zu einem Glas Wein ein.



Joszef Lendvai (Violine) wurde in Budapest geboren. Mit fünf Jahren erhielt er seinen ersten Geigenunterricht. Er studierte bei Ida Händel, Rugero Ricci und Yehudi Menuhin. Internationale Konzerttätigkeiten führten Joszef Lendvai u.a. nach Salzburg, London und New York, wo er mit bekannten Dirigenten wie Simon Rattle und Justus Frantz spielte. Er erhielt diverse internationale Preise und ist erster Konzertmeister der Philharmonie der Nationen unter der Leitung von Justus Frantz. Mit diesem Orchester spielte er eine CD mit romantischen Violinkonzerten ein.

Raimund Wartenberg (Violine) studierte in Detmold und zusätzlich Barockvioline bei Prof. Rainer Kussmaul. Er war viele Jahre Mitglied des European Community Chamber Orchestra. Konzert-Tourneen führten Raimund Wartenberg durch Europa, Südamerika und Asien. Er ist Dozent für Violine an der Akademie Hamburg und Konzertmeister der Rotenburger Kammerphilharmonie.

Karen Hamann (Flöte) studierte in Karlsruhe und Köln und absolvierte anschließend ein Aufbaustudium für Alte Musik in Frankfurt am Main. Sie ist ehemaliges Mitglied der Jungen deutschen Philharmonie und war zwischen 1994 und 1996 Soloflötistin der Heidelberger Symphoniker. Karen Hamann ist als freischaffende Musikerin tätig und ist eine gefragte Kamrnermusikpartnerin mit reger Konzertverpflichtung.

Eduard Wesly (Oboe) absolvierteseinStudium in Amsterdam. Wertvolle Erfahrungen sammelte er als Mitglied der English Barock Soloists unter J.E. Gardiner und bei Musisa Antiqua Köln unter Reinhard Goebel. Eduard Wesly ist Mitglied des Orchestra Libera Classico in Tokio, des Arte Die Sunoatori Polen und der Rotenburger Kammerphilharmonie.

Eva Gerlach (Leitung und Cembalo)
in Wolfhagen geboren, begann im Alter von 12 Jahren ihre kirchenmusikalische Ausbildung an der „Kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte" in Schlüchtern, die sie mit der C-Prüfung zur Organistin und Chorleiterin 1981 abschloss. 1985 begann sie ihr Kirchenmusik- und Klavierstudium bei Prof. Weinberger und Johannes Jensen an der Musikhochschule in Detmold. Seit 1986 konzertiert sie sehr rege als Solistin, Liedbegleiterin und Kammermusikpartnerin. 1991 wurde sie Leiterin der Kantorei der Stiftskirche Rotenburg; 1999 übernahm sie die Leitung der Melsunger Musikantengilde. Beide Chöre führen regelmäßig große oratorische Werke auf, die von der Rotenburger Kammerphilharmonie begleitet werden, einem professionellen Orchester, das Eva Gerlach 1995 gründete. 1998 wurde ihr auf Grund ihres Engagements der Titel „Kantorin" verliehen.

Die Rotenburger Kammerphilharmonie wurde im Herbst 1995 von Eva Gerlach gegründet. Sie verwirklichte damit einen alten Musikertraum: die Mitglieder des Orchesters sind Freunde, Kammermusikpartner und ehemalige Kommilitonen, die Werke auf hohem Niveau zur Aufführung bringen, welche nicht von einer übergeordneten Orchesterleitung angeordnet, sondern nach demokratischen Prinzipien von den Spielern selbst ausgewählt werden - eine Garantie für einen sich durch wahrnehmbare Spielfreude auszeichnenden lebendigen Musizierstil. Mittlerweile besteht die RKP aus ca. 50 jungen Profimusikern aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland

Das Konzert

Der Innenhof füllt sich...

... aber es ziehen dunkle Wolken auf...

..die die Musiker zwingen, ihr Können in der Kirche vorzutragen..

... an die 250 begeisterte Zuhörer belohnen zum Schluss die Künstler mit anhaltendem stürmischen Beifall...

In der Pause und nach dem Konzert Gespräche im Innenhof.

Trunkenheit und Traum
Rotenburger Kammerphilharmonie im Kloster

Von Peter Haischer

ALTMORSCHEN. Kurz vor Konzertbeginn spielte der Regen die erste Geige. Denn seinetwegen musste das Konzert vom Innenhof des Klosters Haydau in die Kirche verlegt werden. Die „Rotenburger Kammerphilharmonie" begann mit J. S. Bachs Oboenkonzert F-Dur. Solist war Eduard Wesly aus Amsterdam, der seine moderne Vollautomatik-Oboe zur Barockoboe umfunktionierte .
Statt auf Vibrato und Linie setzte er ganz auf Schwelltöne, spitze Dynamik und Verzierungen. Sogar der langsame Satz war fahrig und unruhig. Über harmonische Reichtümer wurde hinweggespielt. Um es auf eine knappe Formel zu bringen: Wesly bot Manier statt Stil.
Ganz anders das 5. Brandenburgische Konzert. Das Solistentrio aus Flöte (Karen Hamann), Violine (Raimund Wartenberg) und Cembalo (Eva Gerlach) war perfekt aufeinander abgestimmt. Ensemble und Solisten fanden zu einheitlichem Klang. Die hochvirtuose Kadenz im ersten Satz perlte Eva Gerlach elegant von den Fingern. Eine makellose Interpretation. Den barocken Evergreen gab's nach der Pause. Solist in Vivaldis „Vier Jahreszeiten" war Joszef Lendvai aus Budapest, der kurzfristig für Razvan Hamza eingesprungen war.
Zwar macht das kaufhaustaugliche Werk mittlerweile fast jeden Konzertbesucher fürchten. Doch der musikantische Zugriff von Solist und Ensemble verwandelte den abgenutzten Jahreszeitenzyklus in ein Feuerwerk genialer Einfälle. Die Musik wirkte dank des überlegenen Solisten improvisiert, unmittelbar, natürlich. Im „Sommer" entfesselte er gar dämonische Kräfte - das Sommergewitter brach herein mit der Wucht eines Erdbebens.
Der „Herbst" schwankte zwischen Trunkenheit und Traum. So wurde der Geigenbogen zum Zauberstab: Es war, als erweckte Magie die steinernen Figuren eines Gartens zu pulsierendem Leben (Die in Vivaldis Programm gebannten Bilder erweckte Lendvais Magie zu pulsierendem Leben). Der abschliessende Sturm allerdings war nicht von Vivaldi. Verursacht hatte ihn ein vor Begeisterung tobendes Publikum.