aus dem Artikel oben
VON JÖRG STEINBACH
KASSEL. Einst war der Rührfix in fast jedem Haushalt zu finden. Der
Glasbehälter mit den zwei Metallquirlen, die per Handkurbel gedreht
wurden, verschwand erst in den 1970er Jahren aus den Küchen, als sich
elektrisch betriebene Küchenmaschinen immer mehr durchsetzten. Erfunden und in den Anfangsjahren produziert wurde der „Original
Rührfix“ in Kassel.
Der Ingenieur August Heinzerling hatte 1937 das Patent für seine
„Rühr- und Schlagvorrichtung“ bekommen. Zuerst produzierte Heinzerling
das Gerät mit tatkräftiger Hilfe von Familienmitgliedern zu Hause, Am
Hange 41, in der Riedwiesensiedlung, hat Dr. Bettina Becker, in Kassel
tätige Dozentin für Kultur- und Designgeschichte, herausgefunden.
Bereits 1936 hatte Heinzerling seinen Küchenhelfer auf der Leipziger
Mustermesse präsentiert, was die Nachfrage kräftig angekurbelt hatte.
Der Erfinder musste neue Produktionsräume am Berliner Platz anmieten,
wo 1937 bereits täglich rund 100 Rührfixe hergestellt wurden. Heute
befindet sich in diesen Räumen im Haus Tannenkuppenstraße 19 die
Gaststätte „Berliner Keller“.
Wenige Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion
wegen Materialmangels eingestellt. Beim Bombenangriff im Oktober 1943
wurde auch das Wohnhaus der Heinzerlings zerstört. Die Familie mit den
Kindern Karl und Gudrun fand im Kloster Haydau in Morschen eine
neue Unterkunft. Dort begann August Heinzerling nach Kriegsende mit dem Wiederaufbau seiner Firma, baute
Universalwerkzeugmaschinen und produzierte ab 1949 auch wieder den
Rührfix.
Obwohl die handbetriebene Küchenmaschine zur Zubereitung von
Schlagsahne, Eischnee, Rührkuchenteig, Mayonnaisen oder Mixgetränken
in den 1970er-Jahren wegen neuer Elektrogeräte aus der Mode kam, wurde
der Rührfix noch bis 1997 in Morschen produziert – insgesamt rund acht
Millionen Stück.
Das Aus kam 2004
Nach dem Mord an Renate und Karl Heinzerling, der das Unternehmen
Heimag von seinem Vater übernommen hatte, versuchte Großneffe Walter
Christian Heinzerling im Jahr 1997, die Firma wiederzubeleben.
Zeitweise wurde der Rührfix als Kultgerät vom Edel-Versandhaus
Manufactum vertrieben.
Doch 2004 kam das endgültige Aus für das Unternehmen, das in der
Spitze 140 Mitarbeiter beschäftigt hatte. Die Reste der insolventen
Heimag wurden versteigert – darunter auch die letzten Paletten mit dem
Haushaltsklassiker Rührfix.
Der Rührfix war sein Meisterwerk
Der 1899 in Kassel geborene Schlossermeister August Heinzerling war
1923 in die USA gegangen und hatte neben seinem Ingenieurstudium als
Konstrukteur bei Studebaker und beim Autohersteller Ford gearbeitet.
1934 kehrte er in den Kasseler Stadtteil Kirchditmold zurück und
gründete eine eigene Firma, um die von ihm entwickelten Produkte
herzustellen und zu vermarkten. Der Glasbehälter mit den zwei
Metallquirlen, die per Handkurbel gedreht wurden, wurde als „Rührfix“
ein legendärer Haushaltshelfer. August Heinzerling, der das
Unternehmen an seinen Sohn Karl übergeben hatte, starb 1989. Die
Tochter von August Heinzerling, Gudrun Reichmann (71), lebt in
Altmorschen, ist bis heute als Künstlerin tätig und betreibt die
Töpferei am Heide-Hügel.
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Otto Wohlgemuth
August Heinzerling Erfinder und Unternehmer
(* 19. Februar 1899 - † 1. August 1989)
Familie und Freunde vermissen ihn sehr, den liebenswerten,
hilfsbereiten Mann. Mittelgroß, Sportsmann von Jugend an, drahtig und
philosophisch, der immer das Beste im Mitmenschen suchte. Sein
Augen-leiden schmerzte ihn viele Jahre. Er war im späten Alter fast
blind, konnte nicht mehr lesen und beschäftigte sich so über Kassetten
mit dem neuesten Stand der Wissenschaft, der Weltraumforschung
insbesondere. Und er dichtete bis zuletzt.
Das ist unser August Heinzerling
gewesen, der 90 Jahre alt wurde und für alle Vereine, alle Nachbarn,
aber vor allem auch für die Mitarbeiter seines Betriebes, zugänglich
und hilfsbereit war, und es auch blieb, als er 1973 seinem Sohn Karl
das florierende Unternehmen Heimag überließ. Was für ein erfolgreiches
Leben hatte er da bereits hinter sich!
Seine Vorfahren
stammten aus Altmorschen. Der Vater ging nach Kassel und war bei der
Reichsbahn beschäftigt. Hier wurde August am 19. Februar 1899 geboren,
besuchte die Schule, machte noch den 1. Weltkrieg bei der Kaiserlichen
Kriegsmarine mit. Sein Ziel war, Deckoffizier zu werden. Das Ende des
Krieges brachte neue Zielsetzungen. Er setzte seine Ausbildung fort und
ging als Meister, dann Ingenieur in die USA von 1923 bis 1924 und 1930
bis 1931. Hierher kehrte er auch bis ins hohe Alter gern zurück und
pflegte Freundschaften.
Sein Beginn in Kassel war die erste seiner Erfindungen, der Rührfix,
von dem bis 1985 rund 7 Millionen in alle Welt gingen. Um Weihnachten
1937 heiratete er seine Frau Käthe. Da wurde der Rührfix schon drei
Jahre, seit 18.Oktober 1934 in der kleinen Wohnung hergestellt. Der 2.
Weltkrieg kam. August Heinzerling wurde bei Henschel eingesetzt. Die
Bombennacht in Kassel zerstörte Wohnung und Kleinbetrieb. So, wie er
einst in Leipzig seinen Rührfix mit Handwagen durch die Stadt zum
Messestand fuhr, so kehrte er nun in die Heimat Altmorschen 1945 mit
dem Kinderwagen zurück, darin Sohn Karl und Tochter Gudrun, an der
Seite seine Käthe. Und er fand wieder Heimat im großelterlichen Haus.
In den Schweineställen des einstigen Klosters, späteren Domäne Haydau,
baute er bald aus Restbeständen von Wehrmacht und US-Geräten ein
kleines Unternehmen auf.
Sein Erfindergeist ließ ihn nicht ruhen. Oft war er Gast beim Patentamt
in München. Dem Original Rührfix folgten die Mehrzweckmaschinen Heimag
A 5 und Heimag A 6, Zwiebel- und Gemüseschneider Cutfix, die
Zitronenpresse Zi-Do, das Patent für eine Spezialspritzgußmaschine mit
Rundschalttisch. Unter anderem besaß er auch noch einige Rechte aus
Gebrauchsmu-sterschutzanmeldungen. Auch das Gerät Boromat zum
staubfreien Bohren mit Bohrmaschine wurde entwickelt.
Den eigenen Maschinen aus Wehrmachtsnachlaß folgte in den ersten
Nachkriegsjahren des Aufbaues der eigentliche Werkzeugbau. Schon 1957
war die erste Spritzgußmaschine in Betrieb genommen und die Werkhalle
nahe dem Bahnhof, das Werk II, 1963 gekauft worden. Dort konnte 1976
der Betrieb wesentlich erweitert werden. Es wurden Spritzgußformen zur
Herstellung thermoplastischer Kunststoffe produziert und
Kunststoffteile verarbeitet.
Bald
wurden Heimag-Produkte in alle Welt verkauft, viele Messen im In- und
Ausland besucht. August Heinzerling nahm bis zum Tode noch regen Anteil
an allem Geschehen seines Betriebes, den er oft aufsuchte. Er freute
sich, daß unter Sohn Karl alles „gut lief“ und er am 18.Oktober 1984
das 50jährige Jubiläum des Unternehmens mit hoher Prominenz als Gästen
feiern konnte. Zum 85. Geburtstag am 19.Februar 1984 überraschte ihn
sein Sohn mit einem kleinen Gedichtbändchen. Er hatte alle Gedichte des
Vaters, nicht zuletzt in den „Morschener Nachrichten“ veröffentlicht,
gesammelt und drucken lassen. Weihnachten 1987 konnten Käthchen und
August die Goldene Hochzeit und - wenn auch schon etwas geschwächt -
August 1989 seinen 90. Geburtstag feiern, im großen Familien- und noch
größeren Freundeskreis, zu dem auch der Männergesangsverein und der
Heimat- und Ge-birgsverein, dem er viele Stunden schenkte und den er
mit seiner Viola erfreute, zählten. Seine Lebensphilosophie faßt sein
Wort zusammen: „Wenn du die Welt so siehst, wie du sie wünschst zu
sehen, dann bleibst du jung. Siehst du sie aber so, wie sie wirklich
ist, dann wirst du alt“.
August Heinzerling, ein
schlichter, aufrechter Mann, eine große Persönlichkeit, die ein Werk im
besten Sinne des Wortes schuf.
Der Rührfix
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