»Poststation Zum Alten Forstamt« (Text: Otto Wohlgemuth)
An der alten Nürnberger Landstraße, direkt gegenüber dem historischen Eingang zum Kloster Haydau, steht eines der herausragendsten Gebäude Altmorschens: Ein imposanter zweigeschossiger Bau mit Mansarddach und ausgebautem Zwerchhaus.

Federzeichnung: Hans Meinl

Auch die Geschichte dieses Hauses ist hochinteressant. 1765 hatte Johann Simon Schmeltz, ein Sohn des Gastwirts Johann Conrad Schmeltz, den stattlichen Fachwerkbau unmittelbar neben dem alten Post- und Gasthof ãZur SonneÒ errichten lassen. Das Eichen-Sichtfachwerk wurde farblich in grau und die Gefache beige/gelb gefasst. Morschens Heimatforscher Waltari Bergmann vermutete aufgrund des spätromanischen Kellergewölbes, dass an gleicher Stelle ein wesentlich älteres Gebäude aus dem 13./14. Jh. gestanden hat.

Johann Simon Schmeltz war Eigentümer und Bewirtschafter des eigenständigen Gutes Altmorschen, das neben der landgräflichen Domäne bestand und zu dem 93 Hektar Äcker und Wiesen gehörten. 1776 pachtete Schmeltz sogar die landgräfliche Domäne Haydau zu seinen Ländereien hinzu. Der jetzige Landgasthof diente vor allem als Herrenhaus dieses Gutes. Georg Wilhelm Scheuch, sein Schwiegersohn und Nachfolger als Gutsbesitzer, ließ 1822 das Gutshaus durch den heutigen Seitenflügel erweitern und den Garten parkartig ausstatten. An der nordöstlichen Seite wurde ein großes Scheunen- und Stallgebäude errichtet, eine Kutschenremise mit Futterboden kam 1825 dazu und 1826 eine Brennerei im Wirtschaftshof.

1833 übernahm Scheuchs Schwiegersohn, der Garnisonsarzt Dr. Friedrich Witting, das Gut Altmorschen und die Posthalterei. Dr. Witting war 1840 Gemeindeausschuss- Vorsitzender und 1842 bis 1846 Mitglied der Kurhessischen Ständeversammlung. Für seine fünf Kinder beschäftigte er einen Theologen als Hauslehrer. Ganz sicher war er der einflussreichste Mann im Dorf.

Schmeltz und seine Nachfolger versahen auch das Amt des Postmeisters. Altmorschen hat als Poststandort Tradition: Seit Beginn des 18. Jahrhunderts, vermutlich schon seit 1564, gab es hier eine Poststation. Lange Zeit war diese ein wichtiger Umspannplatz der Postlinie Amsterdam - Kassel - Nürnberg. Auch die Nebenlinie Homberg - Hess. Lichtenau führte über Altmorschen. Posthof war ab 1662 die seit dem Jahr 1620 bestehende Schankwirtschaft ãZur SonneÒ, seit Beginn des 18. Jahrhunderts im Besitz der Familie Schmeltz - die ehemalige Metzgerei Wicke ist der verbliebene Teil dieses Gasthofes. Ein weiteres Gebäude stand traufseitig an der Nürnberger Landstraße. Dieses wurde im Juli 1891 abgerissen und geriet seitdem in Vergessenheit. Noch 1873 stand der gesamte Gebäudekomplex (Gutshaus mit großen Wirtschaftsgebäuden nordwestlich des jetzigen Landgasthofes und alter Posthof) auf einem Grundstück und war im Eigentum der Preußischen Domänenverwaltung.

Ab 1848 ging die Bahnstrecke von Kassel nach Gerstungen, die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn, in Betrieb. Am Bahnhof Altmorschen hielten 1852 die ersten Züge. Die Zeit der Postkutschen näherte sich dem Ende. Familie Witting verließ Altmorschen. Dr. Witting bot das Gut Altmorschen für die Summe von 36.000 Reichstaler der Kurfürstlichen Domänenabteilung zum Kauf an. 1852 wurde es durch Kurfürst Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel für sein jüngstes Kind, Philipp Prinz von Hanau, Graf zu Schaumburg, gekauft. Damit war die Vereinigung der beiden Güter Altmorschen und Haydau endgültig vollzogen. Die Domäne Haydau hatte ab jetzt eine Größe von 237 Hektar.

Meinl 1 Gutshaus 2 Post- und Gasthof ãZur SonneÒ 3 Brennerei, später Schafstall 4 Scheune 5 Scheune 6 Stall 7 Stall 8 Remise 9 Pavillon

Schon bald nach der Einrichtung der landwirtschaftlichen Versuchsstation im Ostflügel der Domäne Haydau am 1. Oktober 1857 erwiesen sich die dortigen Laborräume als zu klein. 1865 zog man deshalb in die Räume des ehemaligen Gutes Altmorschen, jetzt ãVorwerkÒ der Domäne genannt. Doch bereits 1880 erfolgte der Umzug nach Marburg.

Nach Auszug der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt wird das inzwischen dem Preußischen Staat gehörende Anwesen 1881 geteilt: Das Gutshaus mit Flügelgebäude, den Gemüsegarten mit Gartenhäuschen, einen Teil des angrenzenden Ackergrundstücks und den Teil des Hofraums, auf dem der Brunnen war, erhielt die Preußische Forstverwaltung. Das Haupthaus wurde gründlich renoviert. Mit großer Wahrscheinlichkeit erhielt das Gebäude, dem Zeitgeist entsprechend, nun seinen Außenputz - noch im Jahr 1861 war das Fachwerk sichtbar. Für die nächsten hundert Jahre diente das Gebäude nun den Oberförstern und Forstmeistern als Wohn- und Dienstsitz.

Die Flächen nordöstlich (Wirtschaftshof mit Gebäuden) und südwestlich (alte Schankwirtschaft ãZur SonneÒ) des Hauptgebäudes verblieben im Eigentum der Preußischen Domänenverwaltung. Wie groß die Gesamtanlage des ehemaligen Gutes Altmorschen mit der Poststation war, verdeutlicht ein Vergleich mit dem jetzigen Gebäudebestand: Die großen Scheunen im nordwestlichen Teil des Hofes standen zur Hälfte auf der jetzigen Posthofstraße, Oberförsterei um 1910 35 und der Abzweig der jetzigen Paul-Frankfurth-Straße von der Nürnberger Landstraße war durch Wirtschaftsgebäude so weit bebaut, dass der Abstand zu den gegenüberliegenden Gebäuden stellenweise noch nicht einmal drei Meter betrug.


Oberförsterei 1910

Die Reformflut der 1970er Jahre erreicht auch die hessischen Forstbehörden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1974 werden die hessischen Forstämter neu gegliedert. Das Forstamt Spangenberg wird aufgelöst, das Forstamt Altmorschen in Forstamt Morschen umbenannt. Zunächst verblieb die Behörde noch in Morschen.

Das Ende des Forstamtes Morschen zeichnete sich ab, als das Land Hessen in Spangenberg ein geeignetes Baugrundstück fand und dort ein neues Dienstgebäude errichtete. Fast zwei Jahre stand der einstige Prachtbau leer, bis er schließlich 1981 an das Ehepaar Winkelnkemper verkauft wurde. Von 1984 bis 2001 betrieb Dr. Ing. Wolfgang Winkelnkemper hier mit einem Teilhaber eine Firma für elektronische Bauteile.

Hof mit Blick auf Gaststube 36

Schließlich erwarben Ilona und Ludwig Georg Braun aus Melsungen das Anwesen. Die neuen Eigentümer - Ludwig Georg Braun ist Ehrenbürger Morschens und Vorsitzender des Fördervereins ãKloster HaydauÒ - ließen das Haus zu einem Landhotel mit 13 Gästezimmern und einem Restaurant ausbauen. An der südwestlichen Seite wurde eine Küche mit flachem Pultdach angebaut.

Seit Oktober 2003 betreibt Berit und Thomas Raabe hier als Pächter die »Poststation Zum Alten Forstamt«, ein Landhotel, Restaurant und Gasthof.